Arbeitsgespräch des Kulturwissenschaftlichen Kollegs der Uni Konstanz

Vortrag von Prof. Dr. Anne Kraume zum Thema „Fray Servando Teresa de Mier und die mexikanische Unabhängigkeit. Geschichte(n) schreiben zwischen Europa und Amerika“

8. November 2018, 17 Uhr s.t., Bischofsvilla, Otto-Adam-Straße 5

In meiner Habilitationsschrift untersuche ich die beiden Hauptwerke des neuspanischen bzw. mexikanischen Schriftstellers fray Servando Teresa de Mier, die Historia de la Revolución de Nueva España, antiguamente Anáhuac und die sogenannten Memorias, indem ich sie mit vergleichbaren Werken von (amerikanischen und europäischen) Zeitgenossen in Beziehung setze, und indem ich im Anschluss eine doppelte Rezeptionsgeschichte skizziere – zum einen nämlich die Geschichte der Werke zwischen Europa und Amerika, die fray Servando selbst rezipiert hat, und zum anderen die Geschichte der Rezeption seiner eigenen Werke durch lateinamerikanische Intellektuelle und Schriftsteller. Meine leitende Hypothese ist dabei, dass sowohl fray Servandos historiographisches Werk über die mexikanische Unabhängigkeit als auch sein autobiographisches Werk über die eigenen Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Kampf um diese Unabhängigkeit als großangelegte Essays gelesen werden können, in denen der Autor durch gezielt eingesetzte Hybridisierungsstrategien eine Beweglichkeit und Offenheit erzielt, die sein Werk wegweisend werden lässt für eine lateinamerikanische Literatur, der es insbesondere im Verlauf des 20. Jahrhunderts um die Möglichkeiten und die Reichweite einer spezifischen „expresión americana“ zu tun sein wird (José Lezama Lima). In meinem Arbeitsgespräch am Kulturwissenschaftlichen Kolleg der Universität Konstanz werde ich eine der kontrastiven Lektüren vorstellen, die ich in meiner Arbeit unternehme, indem ich fray Servandos Memorias in Beziehung setze zu den nur wenig früher entstandenen Memoiren seines Freundes und politischen Weggefährten Henri Grégoire. Ausgehend von den strukturellen Ähnlichkeiten zwischen den beiden memorialistischen Projekten werde ich aufzeigen, worin zuletzt doch die Besonderheit und das heißt eben auch: die besondere literarische Produktivität von fray Servando liegt.