Aktuelles

Frau Dr. Renker ist Projektmitarbeiterin in einem DFG-geförderten Projekt unter der Leitung von Frau Prof. Dr. Anne Kraume. 


aktuelles Projekt

Die Recherches philosophiques des Cornelius de Pauw – eine Studie zur Figur des Vergleichs in der europäischen Aufklärung

Im Mittelpunkt meines Projekts stehen die Arbeiten des niederländischen Philosophen Cornelius de Pauw (1739–1799) und deren Verflechtung in die europäischen und transatlantischen Wissensdiskurse.

Wer ist Cornelius de Pauw? Drei naturphilosophische Traktate verfasst der in Amsterdam geborene und bei den Jesuiten sozialisierte Kanoniker zwischen seiner Wirkungsstätte im Domstift von Xanten und dem Preußischen Hof um Friedrich II. in den Jahren unmittelbar vor der Französischen Revolution: die Recherches philosophiques sur les Américains (1768), sur les Chinois et les Egyptiens (1783) und schließlich sur les anciens Grecs (1788). An der französischen Encyclopédie ist er mit mehreren Artikeln beteiligt. Im Fokus seiner Untersuchungen stehen die Menschheit und die Geschichte ihrer Zivilisation – ein Thema, für das sich die europäische Philosophie des 18. Jahrhunderts vor allem deshalb interessiert, weil sie daraus eine Geschichte des moralischen und kulturellen, politischen und ökonomischen sowie wissenschaftlichen und technologischen Fortschritts abzuleiten versucht. Dem zeitgenössischen Europa widmet de Pauw keinen eigenen Traktat. Als (korrumpierte) Spitze der Zivilisation bildet es jedoch den impliziten, aber omnipräsenten Bezugspunkt, von dem aus er die nicht-europäischen Zivilisationen begreifen und beschreiben will. Entsprechend diesem europäischen Blickwinkel sind auch de Pauws epistemische Mittel den europäischen Wissenstraditionen verpflichtet: Um die Espèce humaine umfänglich zu beschreiben, setzt er auf seine an der theoretischen Philosophie geschulte Vernunft und das philologische Instrumentarium der klassischen Rhetorik, mit deren Hilfe er die Wahrheit aus seinen von der Antike bis in die Moderne reichenden Quellen zu destillieren hofft.

Auch wenn die eurozentristische Perspektive immer wieder Kritik an de Pauws Texten hervorgerufen hat (u.a. Moureau 2011), stellen seine Recherches doch keineswegs eine Predigt unzweifelhafter Gewissheiten dar. Cornelius de Pauw ringt vielmehr – so meine These – um die Formulierung einer Wissensordnung zu einem Zeitpunkt, zu dem um die politischen Machtverhältnisse in Europa und den Kolonien heftig gestritten wird – der Siebenjährige Krieg ist 1763 gerade erst beendet, mit dem Sturm auf die Bastille werden 1789 die absolutistischen Herrschaftsstrukturen in Europa radikal in Frage gestellt. Darüber hinaus schreibt de Pauw in einem Moment, als sich auch die epistemischen Paradigmen der europäischen Wissensdiskurse immer deutlicher von einer „klassischen Philosophie der Zeichen“ hin zu einer objektivierenden empirischen Betrachtung der Dinge verschieben (Foucault 1966).

In den globalen Wissensdiskursen hinterlassen de Pauws Arbeiten dabei deutliche Spuren: Unmittelbare Reaktionen rufen sie in der sogenannten Berliner Debatte hervor (Ette 2015), für Hegel werden sie zur Grundlage seiner Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte (Gerbi 22000). Auf hispanoamerikanischer Seite stoßen sie im ausgehenden 18. Jahrhundert auf lebhaften Protest, der sich in regen Unabhängigkeitserklärungen gegenüber den Souveränitätsansprüchen von europäischer Seite äußert (Kraume 2015).

Was ist mein Anliegen? Inwiefern Cornelius de Pauws Suche nach den Wahrheiten über die Espèce humaine auch eine Befragung der europäischen philosophischen und philologischen Erkenntnismittel darstellt, will ich untersuchen. Mein besonderes Interesse gilt dabei dem Vergleich als Denk- und rhetorischer Figur. So scheint de Pauw bei seinen Recherches die Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Gesellschaften und Völker grundsätzlich vorauszusetzen. Er geht also von der Möglichkeit eines gemeinsamen Nenners aus, auf dessen Basis sich die Menschheit untereinander vergleichen lässt. Insofern figuriert der Vergleich als ein unausgesprochener Dreh- und Angelpunkt in seinen Untersuchungen und erscheint als zentrales Instrument für sein Projekt, das bestehende Wissen über die Menschheit zu ordnen. Immer wieder wird jedoch deutlich, wie der unmittelbare Vergleich der Zivilisationen scheitert und es der Gelehrte bei Annäherungen und Andeutungen belässt, wenn er die verschiedenen Kulturräume zueinander in ein Verhältnis setzt.

Wie steht es also um die Vergleichbarkeit der verschiedenen Zivilisationen und um den einen Nenner, auf den sich das bestehende Wissen über die Menschheit und ihre Zivilisationsgeschichte bringen ließe? Welches sind die rhetorischen Figuren (z.B. das Exemplum), welches die Argumentationsmuster, was sind die epistemischen Prämissen, über die de Pauw eine Vergleichbarkeit herstellen, und damit überhaupt erst die Möglichkeit zu einer Ordnung des bestehenden Wissens über die Menschheit schaffen will? Dies sind die Fragen, von denen das Projekt ausgeht, und anhand derer ich Cornelius de Pauw in einen größeren Kontext der Aufklärungsdiskurse stellen möchte.

frühere Lehrveranstaltungen

WiSe 20/21
Proseminar: Dantes Rime – ein Lese- und Übersetzungsversuch

SoSe 2019
Proseminar: Torquato Tasso - Aminta

WiSe 18/19
Hauptseminar mit Prof. Dr. Michael Schwarze: Francesco Petrarca
Übung: Francesco Petrarca - Dialoge mit den Antiken (Familiares XXIV)

SoSe 2018
Proseminar: Dante Alighieri - Commedia.  Inferno

Curriculum Vitae

2018–2019: akademische Mitarbeiterin am Fachbereich Literatur-, Kunst- und Medienwissenschaften der Universität Konstanz (Schwerpunkt Italianistik)

seit 2018: Mitglied im Vorstand der Deutschen Dante-Gesellschaft und Herausgeberin des Il Novo Giorno – Mitteilungsblatt der Deutschen Dante-Gesellschaft

2014–2018: Promotion in Lateinischer Philologie als Stipendiatin des Doktorandenkollegs Geisteswissenschaften der Universität Hamburg

2013–2014: Fremdsprachassistentin des Pädagogischen Austauschdienstes in Frankreich am Lycée Camille-Sée in Colmar

2007–2013: Studium der Fächer Französisch und Latein für das gymnasiale Lehramt an den Universitäten Hamburg und Aix-Marseille

2007 Abitur an der Domschule Schleswig

Publikationen

Monographien

Dissertation: Streit um Vergil. Eine poetologische Lektüre der Eklogen Giovanni del Virgilios und Dante Alighieris (Hamburger Studien zu Gesellschaften und Kulturen der Vormoderne 8), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2021.

Aufsätze

‘Eine weiße Kerze von Berta Schmidt-Bickelmann. Eine Dante-Lektüre aus der Deutschen Dante-Gesellschaft‘, in: Deutsches Dante-Jahrbuch 96 (2021) (im Druck)

Kevin Drews/Ann-Kathrin Hubrich/Sandra Ludwig/Andrea Renker/Friederike Schütt: "Geisteswissenschaftliches Fragen und die Fragen (nach) der Geisteswissenschaft", in: Ulrike Job (Hrsg.): Kritisches Denken. Verantwortung der Geisteswissenschaften, Tübingen: Narr Francke Attempto 2021, S. 31-70.

"Bukolisches Idyll und irdisches Paradies. Der 'locus amoenus' als ästhetische Reflexionsfigur in Dante Alighieris erster Ekloge", in: Olivia Kobiela/Lena Zschunke (Hrsg.): Himmlisch Irdisch Höllisch. Religiöse und anthropologische Annäherungen an eine historische Ästhetik, Würzburg: Königshausen&Neumann 2019, S. 137-165.

Rezensionen

Craig Kallendorf: Printing Virgil. The Transformation of the Classics in the Renaissance, in: Artes Renascentes 1 (2021). (im Druck)

Johannes Bartuschat und Andrea Aldo Robiglio (Hrsg.), Il Convivio di Dante, Ravenna, Longo Editore 2015, in: Deutsches Dante-Jahrbuch 94 (2019), S. 181-189.

Herausgeberschaften

Dante Alighieri: 1 Sonett – 30 Übersetzungen, Berlin: Turia+Kant 2021. (mit Judith Kasper and Fabien Vitali) (im Druck)

Andrea Stück/Fabien Vitali: Ciao, Gideon! Zur Erinnerung und kritischen Würdigung Gideon Bachmanns und seines Werkes (lettere aperte 5, 2018) online: www.lettereaperte.net/ausgaben/ausgabe-52018/ciao-gideon-zur-erinnerung-und-kritischen-wurdigung-gideon-bachmanns-und-seines-werkes.

Il Novo Giorno. Mitteilungsblatt der Deutschen Dante-Gesellschaft (seit 2018). online zugänglich unter: dante-gesellschaft.de/mitteilungsblatt/

Forschungsschwerpunkte


•    Rhetorik und Poetik
•    Antikerezeption
•    Dante Alighieri
•    Cornelius de Pauw
•    Theorien, Politiken und Formen der Geisteswissenschaft