Kurzbeschreibung

Es ist die schlimmste Nachricht, die überhaupt verkündet werden kann. Sie wird das Leben der Betroffenen entscheidend verändern und ihnen für immer im Gedächtnis bleiben. “Leider ist Ihr Angehöriger heute tot aufgefunden worden”. Im Falle eines unnatürlichen Todes, beispielsweise durch einen (Verkehrs-)Unfall, einen Suizid oder ein Gewaltverbrechen, ist es Aufgabe der Polizei, Angehörige über den Todesfall zu informieren. Die Kommunikation und Interaktion der Polizeibeamten mit Angehörigen hat einen enormen Einfluss darauf, wie dieses Ereignis verarbeitet werden kann. Depressionen, selbstgefährdendes Verhalten bis hin zu Suizidalität, Phobien und Apathie sind nur einige der möglichen Langzeitfolgen für die Opfer[1], die durch verantwortungsvolles Kommunizieren und Handeln abgefedert werden können.

Es ist von großer Bedeutung, zwischen der Reaktion auf den Verlust eines nahe stehenden Menschen und der massiven Ohnmachtserfahrung zu unterscheiden, die sich angesichts des fundamentalen Informations-Bedürfnisses über die Tatsache und Umstände des Todes sowie behördliche Verfahrensweisen einstellt. Polizeilich verantwortungsvolles Handeln im Sinne des Opferschutzes zielt darauf ab, die Tatsache des unnatürlichen Todes begreifbar zu machen und wirkt der Ohnmachtserfahrung (nicht der Verlustreaktion oder der Trauer) entgegen. Selbst Auskünfte, die erklären, warum gewisse Fragen noch nicht beantwortet werden können, sind als hilfreiche Informationen wertvoll und geben Angehörigen das Gefühl, auch in der Krise ernst genommen und als Bürger*innen respektiert zu werden.

Die Entwicklung des Blended Learning Kurses

Für die Entwicklung des Blended Learning Kurses „DNR – Death Notification with Responsibility“ wurde im Oktober 2016 ein Antrag für ein ERC (European Research Council) Proof of Concept eingereicht. DNR fußt auf den Erkenntnissen, die im Rahmen des interdisziplinären ERC Starting Grants „Narratives of Terror and Disappearance“ (Universität Konstanz, 2010-2015) gewonnen werden konnten. Das von Prof. Kirsten Mahlke geleitete Projekt verdeutlichte, dass das willentliche oder unwillentliche Vorenthalten von Informationen bzw. das Verwehren des Zugangs zur Materialität des Todes nachhaltig den Trauerprozess verhindert, eine geisterhafte soziale Realität erzeugt, Misstrauen in den Staat sowie Staatsorgane hervorbringt sowie kulturelle Aktivität hemmt. Diese Erkenntnisse können im Bereich der Schulung von Polizist*innen gewinnbringend Anwendung finden.

Mit der Lernanwendung DNR entsteht ein Angebot, das ergänzend in bestehende Ausbildungs- und Fortbildungsstrukturen integriert werden kann und Materialien für E-Learning und den Präsenzunterricht bereitstellt. Basierend auf bewährten Lehrmodellen und unter Berücksichtigung neuester Forschungsergebnisse soll die Lernanwendung zur bundesweiten Standardisierung relevanten Polizeiwissens für diese heikle Interaktion zwischen Bürger*in und Staat beitragen. Eine gescheiterte oder als defizitär wahrgenommene Kommunikation der Todesnachricht kann gravierende Folgen sowohl für Angehörige als auch für Polizist*innen mit sich bringen.

Der Blended Learning Kurs bietet die Möglichkeit, Polizist*innen in einem vielschichtigen Modell auszubilden, das Präsenzunterricht, Training und E-learning-Komponenten zu einer Reihe von Themen enthalten wird, die rund um das Thema Todesnachrichten angesiedelt sind. Dies schließt erfahrungsbasierte Lerneinheiten ein, in denen die Nachrichtenübermittlung in Trainingseinheiten erprobt wird, in Videomaterial vorgeführt wird (einschließlich Erfahrungsberichte Betroffener) und Übungen, die die Lernenden außerhalb des Unterrichtsraumes virtuell durchführen können. Ein sehr wichtiges Merkmal ist der Einbezug von Zeugenberichten Angehöriger in Text, Ton- und Filmsequenzen, die einen Perspektivwechsel ermöglichen.

Ausrichtung des Projekts

Die Todesnachricht durch die Polizei, so eine der Grundannahmen des Projekts, das von fortlaufenden empirischen Erhebungen begleitet wird, beginnt nicht erst mit dem Gang zur Familie und ist nach dem Weggang aus polizeilicher Sicht noch nicht abgeschlossen. Es wird um ein erweitertes Verständnis der Todesnachricht gehen, das der Krise Angehöriger im Angesicht des plötzlichen Verlustes gerecht wird. Dies betrifft einerseits die Fortsetzung der kommunikativen Interaktion und Informationsübermittlung über die eigentliche Nachricht hinaus (koordinierender Ansprechpartner bei der Polizei, Kontinuität des Informationsflusses); andererseits die genuin polizeiliche Verantwortung des Opferschutzes und der Gefahrenabwehr während des gesamten Prozesses im Organisationsaufbau Todesermittlungsverfahren. In diesem Zusammenhang wird die Kollision der Interessen Angehöriger mit Interessen der Polizei reflektiert, da gerade hier Handlungsunsicherheiten entstehen können.

Die Todesnachricht kann gut überbracht werden und richtet keinen weiteren Schaden an, wenn der Einsatz von Anfang an einem koordinierten und standardisierten Aufbau folgt, der den Rahmen für diesen sensiblen und folgenreichen Einsatz bietet.

[1] Der Begriff ‚Opfer’ wird in einem weiten Sinne verwendet und umfasst auch trauernde Angehörige, wie es in der EU-Richtlinie 2012/29 vorgeschlagen wird und in Trappe 2000, S. 18.

DNR - Todesnachrichten verantwortungsvoll überbringen

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