Aktuelle Monographien und Sammelbände

Bent Gebert

Schlechte Verlierer.

Einspruchsfiguren der Vormoderne

Schlechte Verlierer sind ungemütliche Zeitgenossen: Sie brüten am Rand, wenn die Gewinner bereits feiern, und erheben Einsprüche, wenn längst alles geregelt scheint. Dennoch birgt das Archiv der Weltliteratur eine Vielzahl wirkungsmächtiger Einspruchsfiguren, deren Faszinationskraft von der Antike bis in die Gegenwart strahlt: vom homerischen Achill bis zu Kapitän Ahab, von den Dialogverlierern Platons bis zum trotzigen Parzival, von der Streitgöttin Discordia bis zu den toxischen Tweets Donald Trumps. Doch weshalb muten sich Literaturen der Antike, des Mittelalters und der Neuzeit ikonische Negativfiguren zu, die sich weder ästhetisch genießen, produktiv einhegen noch funktional aufheben lassen? Während vielfach die Stimulationskraft des Scheiterns beschworen wird, wendet sich das Buch den dunklen Rückseiten einer Literatur- und Kulturgeschichte des Verlierens zu. Prägnant heben sich in ihr Provokationsfiguren ab, die implizite Voraussetzungen kultureller Ordnungen durch Verletzung hervortreiben. Unter systematischen Gesichtspunkten erkunden die Lektüren die seismographischen Potenziale, die schlechte Verlierer dadurch verstärken: ihre raumgreifenden Wirkungen, ihre Energien sowie die Rationalisierungsanstrengungen, die ihnen Bedeutung verleihen, sie umzuwerten suchen oder selbst als Widerspruchsfiguren einbinden.

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Lars Friedrich

Theorie des Revolutionsdramas.

Politische Astronomie von Gryphius bis Heiner Müller

Der Begriff der Revolution bezeichnet ursprünglich den kreisläufigen Umlauf der Gestirne, dessen astronomische Bedeutung mit dem Anbruch des Revolutionszeitalters nicht erlischt, sondern auch in der Moderne als Denkmodell sozialer und politischer Bewegungen in Geltung bleibt. Doch vollziehen revolutionäre Neuerungen nicht mehr die alte Ordnung des Himmels nach, sondern beziehen sich auf die Kugelförmigkeit und Beweglichkeit des Erdkörpers, auf dem politische Ideen in die Tat umgesetzt werden. Ausgehend von dieser Wende innerhalb des astronomischen Paradigmas nimmt die Theorie des Revolutionsdramas die Erde als Stern der Staatsumwälzungen in den Blick. In Einzelstudien zu Gryphius, Schiller, Hölderlin, Büchner, Brecht, Peter Weiss und Heiner Müller wird das moderne Theater als Spielraum einer Politik des mobilen Grundes profiliert.

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Nico Kunkel

Modulares Erzählen.

Serialität und Mouvance in der Erzähltradition der »Sieben weisen Meister«

Die Studie widmet sich der Überlieferungsgeschichte und der besonderen erzählerischen Modularität der Erzählttradition der Sieben weisen Meister in einer Untersuchung von 12 deutschsprachigen Versionen und Fassungen, die hermeneutische Lektüren, narratologische Formalisierungen und textstatistische Beobachtungen miteinander verbindet. 

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Sylwia Werner

Lemberger Moderne.

Studien zur Entstehung einer Wissenskultur

Die Formierung der ästhetischen und wissenschaftlichen Moderne ist untrennbar mit den Wissenskulturen westlicher Metropolen wie Wien, Berlin oder Paris verknüpft. Das vorliegende Buch zeigt exemplarisch, dass es auch in Osteuropa kulturelle Zentren gab, die entscheidenden Anteil an der Ausprägung einer gesamteuropäischen Moderne hatten. Rekonstruiert wird, wie in der scheinbar abseits liegenden Stadt Lemberg während der Zwischenkriegszeit zahlreiche bahnbrechende epistemologische und ästhetische Konzeptionen entstanden. Diese begründeten eine durch alle wissenschaftlichen Disziplinen und kulturellen Gebiete gehende Moderne mit großer Strahlkraft. Bemerkenswerte Wechselbeziehungen zwischen Geistes-, Natur-, Sozialwissenschaften und Kunst sind dabei zu verzeichnen, die eine Fülle an außergewöhnlichen Pionierleistungen hervorbrachten. Die Landkarte der Moderne ist neu zu vermessen.

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Herausgegeben von Eva Blome, Philipp Lammers und Sarah Seidel

Autosoziobiographie.

Poetik und Politik

Autosoziobiographisches Erzählen hat in der Gegenwartsliteratur Konjunktur. Es hat zum Anspruch, die narrative Darstellung des eigenen Lebens mit der Analyse gesellschaftlicher Problemlagen – oder zumindest deren literarisch verdichteter Beschreibung – zu verbinden. Der Sammelband versteht sich als Reflexion auf die Emergenz dieser neuen Gattung, der Autosoziobiographie, an der die Autor:innen, aber auch wir Forschenden Anteil haben. Die Beiträge diskutieren aktuelle autosoziobiographische Texte und ihre literarhistorischen Kontexte unter den drei Schwerpunkten ‚Literarische Epistemologie des Sozialen‘ ‚Zum Politischen der Form‘ und ‚Transition und Narration‘.

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Herausgegeben von Kerstin Bönsch und Sarah Seidel unter Mitarbeit von Céline Martins-Thomas

Der Esel und seine Schatten.

Prozessgeschichten von Wieland – Kotzebue – Fulda – Dürrenmatt


Der ›Streitgegenstand‹ um den es in diesen Prozess-Geschichten geht, könnte trivialer kaum sein: es ist der Schatten eines Esels.
Und dennoch zieht er eine ganze Stadt in seinen Bann und spaltet die Gesellschaft. Der literarische Gegenstand hat Autoren seit dem 18. Jahrhundert beschäftigt: Christoph Martin Wieland (1733–1813), August von Kotzebue (1761–1819), Ludwig Fulda (1862–1939) und Friedrich Dürrenmatt (1921–1990) halten ihren Zeitgenossen – und uns – mit den Prozess-Geschichten einen Spiegel vor. Es geht nicht nur um die Frage, wie wir als Gesellschaft mit Konflikten umgehen, sondern auch um die Gründe, die uns zu Anhänger:innen dieser oder jener Partei werden lassen. Welchen Preis zahlen wir, um zu unserem Recht zu kommen? Wie wird aus einer Mücke ein Elefant? Und: Wohin mit dem Elefanten, wenn er im Raum steht?
Die vorliegende Anthologie versammelt Wielands Romanausschnitt, Kotzebues und Fuldas Lustspiele und das Hörspiel von Dürrenmatt. Kurze Einführungen verorten sie in ihrer Entstehungszeit; die Kommentare geben Interpretationsimpulse, markieren Anschlussstellen und Differenzen – nicht nur zu Wieland. Die Textsammlung lädt zur Lektüre dieser satirischen Prozesse ein, die auch im 21. Jahrhundert an Aktualität nichts eingebüßt haben.

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Herausgegeben von Kerstin Bönsch und Sarah Seidel unter Mitarbeit von Céline Martins-Thomas

Schlaglichter auf des Esels Schatten.

Ansichten zu einem satirischen Prozess

Im Prozess um des Esels Schatten streiten sich Mieter und Besitzer eines Esels so lange um dessen Schatten, bis kein Kompromiss oder eine friedliche Einigung mehr möglich ist. Stattdessen wird die Angelegenheit zum ewigen Stadtgespräch und spaltet die ganze
Gesellschaft in zwei sich feindlich gegenüberstehende Parteien: die Esel und die Schatten. Christoph Martin Wieland (1733–1813) hat den antiken Stoff in seine Gesellschaftssatire über Die Abderiten integriert, in der er die Kleinbürgerlichkeit seiner Zeitgenossen in Szene setzt, und gleichzeitig mit der Mahnung versieht, Abdera könne überall sein.
Friedrich Dürrenmatt (1921–1990) hat den Prozess als Hörspiel umgearbeitet. »nach Wieland, aber nicht sehr«. Die Bei-
träge in diesem Band kontextualisieren und vergleichen die Prozess-Geschichten, sie werfen gesellschaftspolitische Schlaglichter auf die Texte und auch auf die Esel-Skulptur, die im Jahr 2000 in Wielands Heimatstadt Biberach an der Riß auf dem Marktplatz errichtet wurde. Die Beiträge gehen alle der Frage nach, was das antike Abdera mit uns zu tun hat.

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Maria Kuberg

Chor und Theorie.

Zeitgenössische Theatertexte von Heiner Müller bis René Pollesch

Nicht nur zwischen Heimat und Fremde steht der Chor im Theater, sondern auch zwischen selbstständigem Handeln und Abhängigkeit, zwischen Menschen und Göttern und schließlich zwischen der dargestellten Welt und der Realität der Rezipienten. Am Chor entzündet sich die Frage, wie die Gemeinschaft auftritt.

Maria Kuberg untersucht in detaillierten Lektüren chorischer Theaterstücke von Heiner Müller, Botho Strauß, Elfriede Jelinek, Tankred Dorst, Ewald Palmetshofer, Rainald Goetz, Gert Jonke und René Pollesch, wie der Chor in zeitgenössischen deutschsprachigen Theatertexten zur Sprache kommt. Welche Formen nimmt die Chor-Gemeinschaft dabei im Text an? Und wie korrespondieren diese mit der dramatischen Gattung, die doch grundsätzlich die Handlungen Einzelner vorführt? Das sind die leitenden Fragen dieser erhellenden Erkundung des Theaters der Gegenwart, die es als Reflexion über Gemeinschaft profiliert.
Dabei operiert die Untersuchung auf drei historischen Ebenen: Chorische Theatertexte aus dem späten 20. und frühen 21. Jahrhundert werden mit einer theatralen Tradition konfrontiert, die bis in die griechische Antike zurückreicht. Zwischen den antiken und den aktuellen Texten vermittelt die philosophisch-ästhetische Auseinandersetzung mit dem Chor, wie sie im 19. Jahrhundert Schiller, A. W. und F. Schlegel, Hegel und Nietzsche führen. Im Zusammenspiel dieser drei Ebenen wird so eine Theorie des Chorischen entwickelt, die Gattungsaspekte und Gemeinschaftstheorien gleichermaßen berücksichtigt und die das ästhetische wie auch das politische Potenzial der untersuchten Texte erschließt.

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Bent Gebert

Wettkampfkulturen

Erzählformen der Pluralisierung in der deutschen Literatur des Mittelalters


Wie bringen Gesellschaften der Vormoderne, die keine generalisierten Konzepte von Diversität im modernen Sinne ausbilden, dennoch Vielfalt zur Geltung? Die Untersuchung verfolgt diese Frage anhand deutschsprachiger Wettkampferzählungen des 9. bis 15. Jahrhunderts und ausgewählter Bezugstexte der lateinischen und französischen Literatur. Die gattungsübergreifenden Studien arbeiten heraus, welche Differenzlogiken in Streitdialogen und Narrativen vom Seelenkampf, in Heldenepen, höfischen Romanen, Märtyrerlegenden, allegorischen Dichtungen und Exempelerzählungen greifbar werden. Ausgelotet werden erzählerische Spielräume der Vervielfältigung, die nicht nur Alternativen eröffnen, sondern insbesondere interne Möglichkeiten von Unbestimmtheit kultivieren.

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Flucht und Szene.

Perspektiven und Formen eines Theaters der Fliehenden.

Hg. v. Bettine Menke und Juliane Vogel. Theater der Zeit, Berlin 2018. ISBN 978-3-95749-119-0


Juliane Vogel

Aus dem Grund

Auftrittsprotokolle zwischen Racine und Nietzsche

Einen Auftritt haben, bedeutet aus einem Grund in die Sichtbarkeit einer Bühne hervortreten. Seit den Anfängen des Dramas lässt es sich als Realisierung eines Figur und Grund-Verhältnisses beschreiben.
Anhand der Texte Goethes, Schillers und Kleists soll gezeigt werden, wie der Grund zur treibenden Kraft dramatischer Figuration wird. Das Buch sichtet die energetischen Felder, in denen sich Auftritte ereignen. Es fragt danach, wie dramatische Texte den Auftritt ihrer Figuren inszenieren, welche Regeln sie dabei anleiten und welche Gegenkräfte sie mobilisieren. Zugleich fragt es nach der Genese einer Dramatik, die sich nicht mehr für Handlungen, sondern für die Krisen des Erscheinens interessiert.

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Bernd Stiegler

Der montierte Mensch

Ein technisches Zeitalter ist angebrochen, konstatiert man einhellig zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Und so träumt man von einem neuen, einem technischen Menschen, der zuallererst neu zu erschaffen, zu konstruieren sei. Die Montage ist in den 1920er und 1930er Jahren dasjenige Verfahren, das von den Fabriken über die Kinos bis hin zu den Zeitschriften und dem Alltagsleben genau dieser Aufgabe dient. Es findet sich in allen Feldern der Technik und Ästhetik, versteht sich als visuelle Alphabetisierung, Psycho- und Medientechnik und zugleich auch als Vermittler zwischen den politischen Extremen. Taylorismus und Fordismus, aber auch Reflexologie, Arbeitswissenschaft und Psychotechnik sind die Strategien einer Neukonstruktion des Menschen und der Gesellschaft in den Vereinigten Staaten, in Europa, aber auch im revolutionären Sowjetrussland. Zwischen Utopie und Dystopie pendelnd wird das Leben in einer technischen Welt entworfen. Der montierte Mensch, dessen Geschichte hier nachgezeichnet wird, hat jene des 20. Jahrhunderts in entscheidender Weise geprägt.

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Marie Gunreben

Das Alter und die Weisheit

Literarische Entwürfe vom Realismus bis zur Gegenwart

Seit der Antike gilt Weisheit als spezifische Kompetenz des Alters. Sie wird als besonderes Wissen konzipiert, das an Personen, Erfahrungen und Erzählungen gekoppelt ist und damit abstrakten, dokumentier- und digitalisierbaren Wissensformaten entgegensteht. In der Moderne verliert das Erfahrungswissen des Alters einerseits an lebenspraktischer Relevanz; andererseits steigt mit der Komplexität von Wissensbeständen und Lebensbereichen auch der Bedarf an richtungsweisendem Ratschlag. Die Studie geht dieser Spannung zwischen Weisheitsskepsis und Weisheitssehnsucht in der Literatur der Moderne nach: Indem sie auf das vermeintlich atavistische Modell der Weisheit rekurrieren, können sich literarische Texte zum einen zu den Altersdiskursen ihrer Zeit positionieren, dominante Zuschreibungen und Bilder aufbrechen und dynamisieren. Zum anderen eignet sich das rätselhafte, individuelle und narrative Wissen der Weisheit auch zur literarischen Selbstreflexion: Wenn literarische Texte von Weisheit erzählen, dann erzählen sie auch von sich selbst.


Bernd Stiegler

Theorien der Literatur- und Kulturwissenschaften

Bernd Stiegler stellt die wichtigsten Theorien für die Literatur- und Kulturwissenschaften von Friedrich Schleiermacher bis W.J.T. Mitchell vor. In knappen Porträts bietet er eine Einführung in Hermeneutik, Psychoanalyse, Dekonstruktion, Gender Studies und weitere Theorien, die für die Geisteswissenschaften von Bedeutung sind. Zu jeder Theorie wird auf einschlägige Texte verwiesen.

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Gerhart v. Graevenitz

Theodor Fontane: Ängstliche Moderne

Die bewundernswert genaue Simulation des Alltags, der Konflikte und Seelennöte der Ober- und Mittelschichten macht Fontane bis heute zu den großen Vorbildern realistischen Erzählens. Und doch ist sein Stil weit entfernt von der »emphatischen«, manchmal forcierten Moderne des 20. Jahrhunderts, die ganz neue Instrumente der Darstellung erfunden hat. Fontanes Welt der bourgeoisen Heiratspolitik, der Gardeoffiziere, der Duelle und der Insassen märkischer Gutshäuser ist tiefes 19. Jahrhundert. So fern diese Zeit aber zu sein scheint, hier sind die Grundlagen unserer Wirklichkeit gelegt worden. Der vehemente technologische, ökonomische und gesellschaftliche Wandel, Fortschrittsglaube und Fortschrittsängste und der Aufbruch in die Globalisierung setzen im 19. Jahrhundert ein. Ausgehend vom Werk Theodor Fontanes eröffnet Gerhart von Graevenitz in seinem großen Buch eine neue Perspektive auf diese Moderne.

ISBN 978-3-86253-050-2